Und zack sind die 42,195km gelaufen: der Marathon und seine Folgen - Teil 1

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10 Tage sind seit meinem Marathon-Debüt bei der Challenge Roth als Staffelmitglied vergangen. Diese 10 Tage waren notwendig, um einen nüchternen Blick auf das Ganze zu erhalten. Warum? Weil jetzt mal das ganze Adrenalin aus meinem Körper gewichen ist und auch die Schmerzen endlich weg sind.


Wie alles begann...

Aber mal von Anfang an. Am Montag vor einem Jahr hatte ich mich eigentlich spontan entschieden einen Staffelplatz in Roth zu ergattern - eigentlich nur, weil Philipp und Kai nach ihrem ersten Ironman und ersten Langdistanz-Rausch entschieden haben, gleich eine zweite dranzuhängen. Ich war mir eigentlich fast sicher, dass ich keinen Platz bekommen würde, aber ich wurde eines besseren belehrt und stand da nun, mit einem Staffel-Slot und 595€ weniger am Konto. Eigentlich wollte ich am liebsten die 180km radeln, das Schwimmen fiel sowieso weg, weil mir das ganze Drumherum für eine Stunde mit einer Disziplin, die nicht so geilist,wie die anderen beiden, zu aufwendig wäre und irgendwie fühlte ich mich noch immer nicht bereit für einen Marathon - und das, obwohl ich eigentlich schon seit 2009, also 9 Jahren das Laufen trainiere (seit 2010 mit Trainingsplan und seit 2014 mit Trainer(n)). Da sich aber niemand für einen Marathon bereit erklären wollte und ich wusste, dass ich mich nicht ewig davor drücken konnte - ich möchte ja schließlich auch irgendwann eine ganze Langdistanz machen - machte ich es und Jakub übernahm den Radpart. Kurz darauf fanden wir auch einen Schwimmer, der es sich jedoch kurz vorm großen Tag wieder umentschied, doch zum Glück sprang in letzter Sekunde ein Teamkollege vom Team Zoot für ihn ein.


Mein Training für den ersten Marathon

Mein Training im Vorfeld lief eigentlich gut - vor allem in der Zeit, in der ich nicht arbeitete (Dez-März), konnte ich viel an der Grundlage feilen. Zum Glück blieb ich in der Zeit trotz großem Umfang verletzungsfrei und konnte einen Tag bevor ich wieder in die Arbeitswelt zurückkehrte mein gutes Gefühl mit einer Halbmarathonzeit von 1:33:29 bestätigen. Doch dann wurde es stressig und es blieb nicht mehr viel Zeit für’s Training. Ab da standen kaum mehr Long Jogs am Plan und die Läufe waren meist nur Koppelläufe oder Intervalle bei unserer Teamballerei. Ein 34er und ein 30er standen im unmittelbaren Vorfeld noch am Plan, die ich super wegsteckte - ohne Durchhänger oder Muskelkater danach. Dies Umstände gaben mir die Sicherheit, dass ich den Marathon laufen konnte. Nur mit der angestrebten Pace von 4:59/km war ich mir nicht so sicher, weil es eine Pace war, die ich nie lief - entweder war das Training um einiges schneller oder langsamer (so soll es auch sein, aber man fühlt sich dadurch unsicher).

Eine Woche vor der Challenge Roth machte ein Team Zoot Kollege beim Austria Xtreme Triathlon mit, bei dem ich mit ihm einen kleinen Teil (ca. 7km) mit ihm mitlief. Hier liefen wir gemeinsam ca 4:55/km und es fühlte sich mega gut und locker an - dies gab mir das letzte Stück Selbstvertrauen und Sicherheit, das ich noch benötigte.

Innerlich war ich extrem entspannt und ich freute mich so sehr auf Roth, das Event, meine Teamkollegen, die Stimmung, das Drumherum. Ich hatte irgendwie dauernd das Feeling, dass ich nur eine Supporter-Rolle spielte, definitiv aber nicht, dass ich an dem Tag selbst eine Rolle spielen werde. Philipp meinte dauernd nur - du wirst erst nervös werden, wenn du dein Startsackerl in Händen halten wirst. Aber nicht mal da war ich es.

Der Tag X

Die Tage davor waren eigentlich mega stressig und ich war dauernd fertig von der Hitze und dem vielen Herumgerenne. Am Tag X ging es für mich und Jakub um 5:30 von Nürnberg nach Roth. Ich wusste, dass es für mich ein langer Tag werden würde. Die “Supporter-Kilometer” davor machten mir etwas Sorgen, weil ich mich kannte - ich musste Kai und Philipp einfach auf der Strecke unterstützen sowie unsere Staffelmitglieder. Nervös war ich aber nicht, als Philipp und Kai starteten. Nervös war ich nicht, als unser Schwimmer Chris wegschwomm und wiederkam. Auch nicht als Jakub wegfuhr und auch nicht als ich mich in die Wechselzone 2 für meinen Start begab. Irgendwie relativierte sich alles für mich, denn die Teilnehmer mussten ALLES machen - 3,8km schwimmen, 180km radfahren und 42,2km laufen und nicht nur wie ich einen LULU-Marathon machen. Ich denke, dass das auch der Grund war, warum ich keine einzige Sekunde nervös war. Als dann Jakub in die Wechselzone einbog, freute ich mich richtig und lief los - und gleich mal falsch abgebogen, aber zum Glück gleich bemerkt und kehrte schnell um. Dann lief ich mit einem riesen Smile und musste mich bremsen, da es gleich mal bergab ging. Nach ca. 5km kam mir auch schon Philipp entgegen und 200m weiter Kai - beide nicht sehr begeistert. Gefühlt grinste ich sie nieder, ich fühlte mich gut und es lief einfach perfekt. Kurz vorm Kanal war ein Hotspot mit sehr vielen Leuten, die Party machen und mich anfeuerten, als würde ich gerade den Sieg holen. Ich grinste noch mehr und feierte gröhlend mit :)


Am Kanal fand ich einen Mitläufer, der genau mein Tempo lief und schloss mich ihm an - bis ca. KM 12, dann war er plötzlich bei einer Verpflegungsstation weg. Übrigens waren ca alle 2km Verpflegungsstationen mit Schwämmen, Getränken, Gels und Essen, was wirklich mega war. Vor allem die Schwämme wechselte ich bei jeder Station und steckte sie mir in meinen Trisuit (ja ich lief im Trisuit - denn ich brauchte ihn wegen den Schwämmen und den Fächern) und trank immer Wasser oder Iso. Nach 14,5km nahm ich das erste Gel, obwohl ich nicht unbedingt das Gefühl hatte, dass ich es brauchte - aber sicher ist sicher. Das Tempo von ca 4:50/km fühlte sich locker an und mein Puls war für meine Verhältnisse sehr niedrig. Nach 21,1km hatte ich gerade mal das Gefühl als wäre eine halbe Stunde vergangen. “Jetzt geht’s los” dachte ich mir, weil es fühlte sich nicht anstrengend an.

Nach 25km dachte ich mir “Was kann ich allen von meinem ersten Marathon erzählen, bis jetzt ist einfach nichts passiert” aber hatte gleichzeitig die Worte im Kopf “bei einem Marathon kann so viel passieren”. Nach 26km dachte ich mir “Marathon wird meine neue Lieblingsdisziplin, das ist ja wie ein Long Jog”. Und dann kam Kilometer 27... Plötzlich zog es sehr unangenehm am linken seitlichen Oberschenkelmuskel und ich ahnte schlimmes - es fühlte sich so an, wie letztes Jahr bei meinem Runners Knee, aber kaum dachte ich daran, begannen meine beiden vorderen Oberschenkel zu brennen und zwar von Schritt zu Schritt immer mehr. Es fühlte ich an als würde ich seit 5 Minuten einen Wallsit machen und die Oberschenkel fingen zum Streiken an. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, also lief ich einfach weiter, in der Hoffnung, dass meine Oberschenkel einfach mit Schmerzen weitermachen würden. Ab KM 33 ging es dann steil bergauf und ich hoffte, dass es vlt durch die andere Bewegung besser werden würde, aber nein, es wurde nur noch schmerzhafter. Aber zumindest hatte ich nur mehr 9km vor mir und ich hoffte, dass meine Oberschenkel mich auch ins Ziel brachten.

Aber wo es raufgeht, geht’s auch runter. Ganz oben ging es dann um einen Teich herum, auf gleichem Weg wieder zurück. Als es dann bergab ging, dachte ich, ich musste sterben. Die Schmerzen waren noch schlimmer, weil ich jeden Schritt mit meinen Oberschenkel abfangen musste. Ich lief runter wie auf weichen Eiern und schaffte gerade mal eine Pace von 4:59/km - langsamer als meine bisherige Durchschnittspace. Ich warf mir noch mein letztes Gel - Xtreme Koffein - ein, in der Hoffnung, dass ich noch irgendwie bis zum Ende durchbeißen konnte. Plötzlich fing mein Herz richtig zu rasen an und ich spürte das XTREME in dem Gel, aber meine Beine konnten nichts mit dem Gel anfangen - ab jetzt merkte ich, wie die Muskeln immer mehr streikten und ich wirklich mental kämpfen musste, nicht stehen zu bleiben vor lauter AUA! Bei KM 39 kam Philipps Papa für ein paar Meter mit und meinte “Wann bist du gestartet?” “Um 15:10” “Dann gehen sich die 3:30 knapp aus, wennst jetzt weiterlaufst”. Ich bemitleidete mich zum ersten Mal in dem Rennen und sprach es zum ersten Mal aus “Ich hoffe, weil ich hab so große Schmerzen, meine Muskeln wollen nicht mehr”. Gefühlt konnte man zum allerersten Mal meinen Schmerz im Gesicht ansehen, weil ich alles verzog. Ich kämpfte und kämpfte mit dem Ziel vor Augen.


500m vor dem Ziel wartete meine Staffel auf mich und es ging über Wiese und ich stolperte nur so herum. Und schon war da die letzte Kurve und ich zog das Tempo nochmal an und da wars - das langersehnte Ziel. Das Ziel, auf das ich seit 9 Jahren hingearbeitet hatte. Das Ziel, das ich mir niemals zugetraut hatte. Das Ziel, das mir keiner mehr nehmen kann. Das Ziel, auf das ich aufgrund der Umstände mega stolz bin. Das Ziel, das ich in meinem Leben nie wieder vergessen werde.

Im Ziel angekommen...

... fiel ich einfach seitlich komplett wie versteinert um. Die Helfer fragten mich, ob eh alles okay war. Mit einem Grinser lag ich da, wie ein Käfer, der sich nicht mehr rühren konnte. “Ja, sagte ich, aber ich komm nicht mehr auf”. Sie versuchten mich aufzuhieven, aber immer über die Beine und ich schrie, weil das waren höllische Schmerzen. Schnell ließen sie mich los und ich lag wieder da. 3 Versuche später schrie ich, dass es so nicht ging. Ich musste meine Beine dagegen stemmen, sonst ist das Gewicht immer auf meinen Oberschenkeln. Also stemmte ich mich mit den Beinen dagegen und Jakub zog mich auf. Ich schaute auf die Uhr und ließ einen Jubelschrei los - da standen doch echt 3:27:20 auf der Uhr (inkl Wechselzone)...ich konnte es kaum fassen. Ich hatte es geschafft - viel schneller als ich mir es erträumt hatte. Ich war einfach nur geflashed von allem. Es war einfach alles nur schön, wie auf Drogen (also so denke ich, das Drogen wirken könnten ;)) Und dann realisierte ich den Schmerz, der noch schlimmer war, als während dem Laufen. Gehen konnte ich nur mehr im Mäuseschritt. Meine linke “Zeigezehe” fühlte sich an, als würde der Nagel am Schuh oben festhängen, meine rechte fühlte sich an, als wäre eine fette Blase am heranwachsen. Alle wollten, dass ich mich hinsetzte, das ging aber einfach nicht. Auf die Massageliege kam ich auch nicht rauf, geschweige denn wieder runter. Und, dass die Massage die schlimmste meines Lebens war, darauf brauch ich auch nicht näher eingehen. Das allerschlimmste war aber das aufs Klo gehen, ich konnte mich einfach nicht hinhocken oder hinsetzen. Und ja mein erster Klogang war im Stehen im Wald :D Und in der Nacht konnte ich nicht am Bauch liegen, weil ich da auf meinen Oberschenkeln lag, die höllisch schmerzten. Jetzt aber die Preisfrage, die sich jetzt sicher alle stellen, die noch nie einen Marathon gelaufen sind: WARUM zur Hölle tut man sich so etwas an? 10 Tage danach bin ich zwar nicht mehr so benebelt, wie ich es die erste 3 Tage war, aber ES ist einfach GEIL (wenn man das DANACH ausblenden kann :D).


In Teil 2 möchte ich allgemeiner das Thema Marathon betrachten, warum es in den letzten Jahren so zum Hype geworden ist, warum fast jeder schon einen Marathon gelaufen ist oder so schnell wie möglich einen laufen will und warum es besser wäre einfach etwas geduldiger zu sein.



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2 Kommentare:

  1. Herzliche Gratulation! Es klingt ziemlich rätselhaft mit den Schmerzen. Gibt es eine Idee woran deren Ursache liegen kann? Hast Du schon mal davor Krämpfe gehabt?

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    1. Ich schätze an der nicht gewohnten Belastung. Krämpfe hatte ich schon öfter, aber meist, wenn es zu heiß war und ich nicht genügend Essent/Trinken zu mir genommen hatte. Aber das waren keine Krämpfe, das war eher Muskelversagen ;)

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