Im Vorfeld war ich mir alles andere als sicher, dass ich gut vorbereitet war - schließlich hatte ich doch einige Wochen Probleme mit dem Ischias sowie Fußprobleme und ein paar Ostheopathiesitzungen und Massagebehandlung hinter mir. Aber ich wollte es, ich wollte wissen, wie es sich anfühlte einen ganzen Tag lang mit meinen Lieblingsdiziplinen beschäftigt zu sein. Also riskierte ich einen Start.

Auf den Ironman trainierte ich eigentlich mehrere Jahre hin, explizit aber 2 Jahre, wo ich fast nur Grundlage mit langen Rad-, Lauf- und Schwimmeinheiten machte. Das wirkte sich natürlich auch auf meine Schnelligkeit aus - die war nicht mehr vorhanden und tat auch extrem weh. Dafür konnte ich ewig laufen, nach 30km machten mir Läufe erst richtig Spaß. Und Radfahrten erst ab 4 Stunden.

Nichts desto trotz wollte ich mich nicht für den geplanten Ironman anmelden, weil ich eigentlich immer irgendwelche Probleme hatte: Mal war es das Eisen, mal das Schwimmen, das gar nicht ging, mal der Ischias, mal die Fußsohle und in der letzten Phase des IM Training alle 4 Dinge zusammen. Und 2 Wochen vorher wurde mir geraten, mich nicht mehr von Milchprodukten und industriell hergestellten Zucker zu ernähren (damit könne mein Eisenproblem gelöst werden). Philipp meldete sich dann 10 Tage vorher an und ich wollte noch einen Arzttermin abwarten, bis ich mich dafür entschied. Am nächsten Tag war ich fest entschlossen mich anzumelden und plötzlich war er ausverkauft - eine Welt brach für mich im ersten Moment zusammen, wollten doch Philipp und ich gemeinsam an der Startlinie stehen. Wofür haben wir uns die letzten Monate und Jahre gemeinsam abgerackert, uns angeschrien, zusammen gelitten und auch gemeinsam hingefiebert? Ich konnte es nicht glauben. Wir schrieben auch sofort an den IM aber natürlich gab es keine Aussicht auf einen Platz, nicht mal dann, als wir jemanden fanden, der seinen Platz nicht in Anspruch nehmen würde. 2 Tage vor Abflug geschah dann ein Wunder, ein riesiges Wunder und ich bekam einen Startplatz. Gleichzeitig so gefreut (ich schrie wie eine Wahnsinnige durch das Büro :D) und so Panik hatte ich noch nie. Am Dienstag ging ich noch zur Massage, der Masseur meinte ich sollte abklären, ob ich eh keinen Bandscheibenvorfall hätte - tolle News 5 Tage vorm Ironman. Jedoch bewirkte die Massage Wunder, mir tat bis Samstag vor dem IM gar nichts weh.

Am Tag vor dem Ironman ging ich noch 30min Radfahren und musste feststellen, dass meine gestauten Schmerzen geballt an diesem Tag rauswollten, ich konnte kaum sitzen und treten, es schmerzte extrem in meinem Hinterteil. Nach der Einheit konnte ich kaum gehen und ich war am Boden zerstört - konnte ich überhaupt teilnehmen? Am Abend versuchte ich noch alles - dehnen, rollen, Voltaren, doch die Schmerzen spürte ich leider auch noch am nächsten Morgen. Mit meiner Laune steckte ich natürlich auch noch Philipp an, der sich auch nicht auf seinen Start konzentrieren konnte, was ich eigentlich nicht wollte, aber es war nun halt auch nicht einfach ein Sprint Triathlon, sondern eine Langdistanz, noch dazu meine erste. Irgendeine höhere Macht wollte anscheinend einfach nicht, dass ich startete.

Durch die 2 Wechselzonen an verschiedenen Orten war die Zeit vorm Start auch sehr knapp, weil man zum See nur mit einem Bus kam, der nicht oft und nur von bestimmten Hotels wegfuhr und auch noch eine halbe Stunde hinbrauchte. Ein Klogang ging sich auch nicht mehr aus, was psychisch auch nicht das Beste war. Einschwimmen und Neo fluten ging sich gerade noch so aus und dann gings auch schon zur Startlinie. Es war ein Rolling Start (danke für diese Erfindung!) und ich reihte mich bei 1:15 ein, was schon sehr optimistisch war, weil ich beim Schwimmen die Wochen davor einfach nichts Schnelleres als 2:10/100m zusammenbrachte, aber ein Versuch war's wert.

Da ich in den Wochen zuvor herausfand, dass mein Problem im 2er Zug lag, weil ich da zu wenig Druck aufbaute und zu hektisch schwomm, beschloss ich 4er Zug zu schwimmen, da dies mein Standard Zug ist (3er schwimm ich nie) und ich mich da am sichersten fühlte. Ich kam sofort in einen Rhythmus, der sich ruhig, aber doch zügig anfühlte. Ich überholte von Anfang an gefühlt alle um mich herum und verstand es einfach nicht. Anscheinend hatten sich alle zu gut eingeschätzt. Umso weiter wir in den kristallklaren See hineinschwommen, desto welliger wurde es durch den Wind. Doch mir bereitete das Schwimmen so viel Spaß, dass die Wellen nebensächlich waren. Als ich bei der ersten Boje ankam zum ersten Abbiegen, piepste auch meine Uhr für die 1.500m. Dann waren 600m, dann 300m und dann wieder 1.100m zum Schwimmen - auf der Länge trieb ich leider durch den Wind mit ein paar anderen komplett ab und musste die letzte Boje von sehr weit draußen anschwimmen. Dann waren nochmal 300m zu schwimmen bis zum Ausstieg - da stieg ich noch auf einen 2er Zug um, um nochmal alles zu geben. Meinem Gefühl zufolge schwomm ich an die 1Std20min herum, als ich die Uhr erblickte schrie ich erstmal freudig auf - da standen doch tatsächlich 1Std10min und ein paar Sekunden - ich konnte es nicht glauben und jubelte. Der Neo ging wie von alleine runter, ich schnappte mir mein Sackerl, steckte alles Wichtige ein, Helm auf und ab zum Rad.

Am Rad hatte ich sofort wieder die Schmerzen in meinem Hinterteil, aber es war mir einfach so egal - ich hatte die 3,86km in 1 Stunde und 10 Minuten geschafft. Ich nahm die ganze Kraft aus dieser Zeit und dem guten Gefühl - eigentlich war mir in dem Moment alles egal, ich hatte eine mega Schwimmzeit (für mich), die mir niemand wegnehmen konnte. Also radelte ich dahin und redete mit mir selbst, wie genial doch alles wäre und kommentierte jedes meiner Überholmanöver. Nach ca. 20km war der Schmerz dann plötzlich weg, ich spürte es zwar noch, aber es behinderte mich nicht. Anscheinend musste der Muskel erst auf Betriebstemperatur kommen. Ich trat in die Pedale als gab es kein morgen und es machte mega Spaß. Die Zeit verging auch wie im Fluge, weil ich dauernd etwas zu tun hatte. Alle 20 Minuten gab es entweder einen halben Riegel oder Iso. Aus dem Grund hatte ich immer entweder zum Nachdenken, was ich als nächstes essen oder trinken musste oder ich war beschäftigt mit essen. Die erste Runde (von 2,5) verging extrem schnell. In der zweiten beschloss ich wieder eine Banane zu nehmen, doch dieses Mal bekam ich eine ganze ungeschälte in die Hand gedrückt (in der Runde davor bekam ich eine halbe geschälte). Gerade als ich überlegte, wie ich das jetzt angehen würde, sie zu schälen und zu essen und wohin ich die zweite Hälfte gäbe, fuhr ein Technical Official neben mir her, um mich und meine Banane zu beobachten. Also begann ich sie mal zu schälen und aß die Hälfte. Zuerst probierte ich sie in meine Rückentasche zu geben, schaffte ich aber nicht, dann in mein Oberrohrfach, das schaffte ich auch nicht, weil es zu schmal war. Dann hielt ich sie in der Hand und wollte sie später essen, aber das Motorrad blieb immer an meiner Seite, sie waren sich sicher, dass ich die Banane wegwerfen würde, was ich aber eigentlich gar nicht wollte, weil für mich Littering einfach gar nicht geht. Nach weiteren 5min ging mir das Motorrad so auf die Nerven, sodass ich mir die blöde Banane einfach runterstopfte und das gleiche Spiel wieder mit der Schale spielte, aber ich schaffte es auch nicht diese in die Rückentasche geschweige in das Oberrohrfach zu geben. Dann kam mir die Idee - mein Trinksystem hatte oben ja eine Öffnung. Also stopfte ich die Bananenschale da rein und die Technical Officials staunten nicht schlecht - es hielt auch 500m später noch. Also ließen sie mich in Ruhe und fuhren weg. ENDLICH!

Bei der nächsten Labestation warf ich die Schale weg, jedoch war das meiste davon in der Flasche verschollen. Wäh (ich hatte übrigens noch lange etwas von dem Bananengatsch :D). Ansonsten gibt es nicht viel von der Radstrecke zu berichten, außer dass sie eigentlich sehr wellig, windig, aber trotzdem gut dahin ging. Kurz vor dem Ende ging es noch durch die Innenstadt von Vitoria-Gasteiz und dann durften wir absteigen und das Rad den Helfern zurollen. Apropos absteigen, das war auch ein Erlebnis für sich. Nach 5 Stunden 30 Minuten (ich glaubte meinen Augen kaum, denn ich hatte eher mit 6 Stunden gerechnet) war ich schon aufgeregt, wie sich das Absteigen für meine Beine wohl anfühlen würde. Also stieg ich vorsichtig ab und war ganz erstaunt, dass ich nicht zusammensackte. Doch ich hatte mich zu früh gefreut, dann dann kam der zweite Schritt und der ließ mich kerzengerade nach vorne fallen und konnte nichts tun, die Muskeln gaben einfach nach. Irgendwie konnte ich mich im letzten Moment noch fangen und musste glücklicherweise nicht den Boden küssen. Dann ging es humpelnd durch eine kleine Gasse zur zweiten Wechselzone, in der die Menschen rechts und links alle abklatschten und wie wahnsinnig jubelten und schrien. Ich zog mir meine Schuhe an und los gings auf die Laufstrecke.

Da war er nun, der Marathon. Ich spürte meinen Hintern von Anfang an, aber zum Glück nur leicht. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen jetzt noch einen Marathon zu laufen. Aber ich musste es zumindest versuchen. Dann kam ich in der Innenstadt in eine schmale Gasse, in der die Leute schrien, abklatschten, jubelten und mich als Frau nochmal 10x so arg anfeuerten. Durch diese Motivation und meine Gänsehaut lief ich gleich mal mit sub 5:00 los, was für einen Marathon im Ironman einfach zu schnell für mich war. Es ging eigentlich ganz gut dahin, Schritt für Schritt.Problematisch wurde es dann bei KM 20, weil da trank ich ein viel zu wenig verdünntes Iso und mein Bauch begann schon nach 3 Schritten zu grummeln an. Ich erinnerte mich an die Klos, die es unterwegs gab und war wieder beruhigt. Doch ich wusste nicht mehr genau, wo diese waren, also lief ich weiter und hoffte auf eine schnelle Erlösung. Nach 2 KM kam dann endlich das Klo, ich entblößte mich schon halbnackt, um schneller fertig zu sein. Dann sah ich die Männerschlangen vor den 3 Klos und zog mich wieder an - so viel Zeit wollte ich nicht verlieren. Also lief ich weiter und hoffte auf weitere Klomöglichkeiten. Aber sie kamen einfach nicht und mein Bauch explodierte fast. Nach weiteren 5km sah ich es dann endlich. Das wunderschöne mich rettende Klo. Also lief ich hin und es waren schon wieder alle besetzt, bis auf eines, das gerade geputzt wurde. Ich schrie den Spanier an, dass ich explodiere, wenn er nicht gleich aus dem Klo rausgehen würde. Er meinte, er muss noch fertig putzen. Ich konnte ihn erst überzeugen, als ich ihn anschrie mit "Nach mir musst du sowieso wieder putzen" :D So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie er draußen war.
Nach dem Klogang ging es wieder eine Spur besser, aber meine KM wurden laut Uhr immer langsamer und ich sah die sub 4 Stunden schon an mir vorbeiziehen. Meine Motiviation wurde dadurch auch immer kleiner und ich humpelte nur mehr dahin, weil es einfach nicht schneller ging. Bis dann Philipps Papa kurz mit mir mitlief und mir sagte, dass ich super in der Zeit war und locker die 4h schaffen würde. Ich schrie ihn nur an und meinte "mit 6:45/km kann sich das nicht ausgehen". Er meinte, dass ich noch sub 6:00 lief. AHA. Seltsam. Als ich dann beim nächsten Kilometerschild war, sah ich dass auf meiner Uhr ganze 2km fehlten. Aber durch das Hin und Her auf den Straßen (teils lief man 4x Hin und Her auf einer Straße) und durch die engen Gassen in der Innenstadt wurden überall die Ecken weggeschnitten. Also war ich doch auf Kurs und kämpfte mich nochmal auf den letzten 4 KM ab. 2 Kilometer vor Schluss bekam ich nochmal so einen richtig schönen Krampf im linken Bein, sodass ich es nicht mehr selbst steuern konnte und es sich von allein immer so nach vorne schleuderte. Ich wollte aber nicht nochmal stehen bleiben und humpelte mit dem seltsamen Bein weiter. Auf den letzten Metern fiel mir eine mega Last ab. Aber war es das jetzt wirklich? Irgendwie so unspektakulär. Keine richtigen Hürden. Dann sah ich den Zielkanal und konnte es nicht fassen. ICH HATTE ES GESCHAFFT. Und schön hörte ich den Satz aller Sätze: "Sabine, you are an IRONMAN"
Da war noch alles gut, dann sah ich Philipp, der im Ziel stand und es einfach nicht packte, dass ich es geschafft hatte. Er nahm mich in die Arme und sagte mir dauernd, wie stolz er auf mich und vor allem auf die mega Zeit von 10 Stunden und 44 Minuten war. Ich hatte solche Glücksgefühle wie noch nie. Es tat mir auch nichts weh und ich konnte normal gehen. Aber dann machte ich den Fehler und setzte mich hin bzw legte mich hin - da bekam ich dann so eine Hitzewallung, die sich anfühlte als würde mein Kopf brennen. Ich lag da wie eine Leiche, aber alle kümmerten sich mega um mich und gratulierten mir und jubelten mir zu - einfach nur weil ich eine Frau war. Wie oft ich an dem Tag "Respekt, dass du das als Frau machst", "Wow, was für eine Zeit für eine Frau" usw. hörte.

Als ich mein Handy bekam, hatte ich über 200 neue Nachrichten mit Glückwünschen. Ich konnte es nicht glauben, dass so viele Leute live mitgefiebert hatten. Bis heute bin ich noch überwältigt von dem Tag, den Emotionen, der Freude, die ich währenddessen hatte. Vor allem konnte ich am nächsten Tag normal gehen, im Gegensatz zu meinem ersten Marathon. Ich war auch innerhalb von 2 Wochen komplett regeneriert. Und was tat ich als Erstes nach meinem ersten Ironman? Genau, ich meldete mich für meinen zweiten an in Frankfurt. Leider ist meine Verletzung hartnäckiger als gedacht, also weiß ich noch nicht, ob ich starten kann - also drückt mir bitte die Daumen, denn ich würde gerne nächstes Jahr über ein mindestens so wundervolles und beeindruckendes Erlebnis schreiben dürfen.